Wenn sich Mieter und Vermieter über Jahre hinweg streiten, droht oft die Eskalation. Aus Unstimmigkeiten über Lärm, Mülltrennung oder vermeintlich rassistische Äußerungen können handfeste Auseinandersetzungen werden. Nicht selten stellt sich dann die Frage: Kann der Vermieter einfach die Reißleine ziehen und das Mietverhältnis sofort beenden? Viele Mieter fürchten, dass das bloße Zerwürfnis mit ihrem Vermieter ausreicht, um sie ohne Vorwarnung auf die Straße zu setzen. In diesem Ratgeber erfahren Sie, warum eine reine „Zerrüttung“ noch lange keine fristlose Kündigung rechtfertigt – und wann sie dennoch drohen kann.
Lesen Sie in diesem Ratgeber:
Das „zerrüttete Mietverhältnis“ ist ein Begriff, der gelegentlich in juristischen Auseinandersetzungen verwendet wird, wenn das Zusammenleben zwischen Mieter und Vermieter massiv gestört ist. Häufig hat sich über Monate oder gar Jahre hinweg ein Berg von Streitpunkten aufgetürmt. Beide Seiten fühlen sich missverstanden, gegenseitig provoziert oder gar beleidigt. Vielleicht gibt es regelmäßige Konflikte über zu laute Musik, ungepflegte Gemeinschaftsflächen oder sogar persönliche Beschimpfungen.
Als Mieter kann das Gefühl entstehen, der Vermieter suche nur noch nach Gründen, um einem das Leben schwer zu machen. Umgekehrt kann der Vermieter der Überzeugung sein, dass Sie Ihre Pflichten nicht erfüllen oder ihm gegenüber respektlos auftreten. In der Praxis führt dieser Dauerzwist zu einer Stimmung, die man als vergiftet bezeichnen könnte.
Entscheidend ist jedoch, ob sich dieses zerrüttete Verhältnis allein auf persönliche Differenzen stützt oder ob ein konkretes pflichtwidriges Verhalten einer Vertragspartei vorliegt. Denn das Gesetz legt fest, dass eine fristlose Kündigung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Bloße Antipathie oder gegenseitige Vorwürfe ohne handfesten Nachweis einer Vertragsverletzung reichen in aller Regel nicht aus. Genau das hat auch der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 29.11.2023 (Aktenzeichen: VIII ZR 211/22) noch einmal betont.
Oft stellt sich die Frage, ob ein über längere Zeit vergiftetes Klima zwischen Mieter und Vermieter allein genügt, um das Mietverhältnis sofort zu beenden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu klargestellt, dass eine bloße Zerrüttung nicht ausreicht. Es muss immer ein konkreter, wichtiger Grund vorliegen, den der Gesetzgeber in § 543 Absatz 1 BGB verlangt. Ein solcher Grund liegt nur dann vor, wenn eine der Parteien ihre vertraglichen Pflichten erheblich verletzt hat und dadurch das Vertrauensverhältnis zerstört wurde.
Damit Ihnen als Mieter wirksam fristlos gekündigt werden kann, muss der Vermieter im Streitfall vor Gericht belegen, dass Ihr Verhalten die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar macht. Nur weil es über einen langen Zeitraum immer wieder Auseinandersetzungen gab, heißt das nicht automatisch, dass Sie sich pflichtwidrig verhalten haben. Im Gegenteil: Sind die Streitigkeiten vor allem durch den Vermieter provoziert oder haben beide Seiten gleichermaßen zu den Konflikten beigetragen, wird es für ihn schwer, eine fristlose Kündigung rechtlich durchzusetzen.
Der Bundesgerichtshof hat zudem klargestellt, dass das Mietrecht an sich keine „Zerrüttungsklausel“ kennt, die automatisch zur Beendigung des Mietverhältnisses führt. Anders sieht es im Familienrecht aus: dort gibt es das sogenannte Zerrüttungsprinzip.
Viele Mieter fragen sich, was es überhaupt bedeutet, gegen vertragliche Pflichten zu verstoßen. Schließlich möchte niemand unwissentlich riskieren, seine Wohnung zu verlieren. Eine wichtige Pflicht ist zunächst, die Miete pünktlich und vollständig zu bezahlen. Gerät ein Mieter erheblich in Zahlungsverzug, kann das durchaus zur außerordentlichen Kündigung führen. Allerdings besteht bei Zahlungsverzug oft noch die Chance, die ausstehenden Beträge innerhalb einer Schonfrist nachzuzahlen und so die Kündigung abzuwehren.
Ein weiteres pflichtwidriges Verhalten kann vorliegen, wenn Sie dauerhafte und erhebliche Störungen des Hausfriedens verursachen. Das können übermäßiger Lärm zu unangebrachten Zeiten oder aggressive Beschimpfungen anderer Hausbewohner sein. Auch das unberechtigte Untervermieten der Wohnung ohne vorherige Genehmigung des Vermieters kann eine Pflichtverletzung darstellen.
Entscheidend ist, dass die jeweilige Pflichtverletzung so gravierend sein muss, dass dem Vermieter nicht zugemutet werden kann, das Mietverhältnis bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Dabei spielen die Intensität, Dauer und Wiederholung des Fehlverhaltens eine Rolle. Ein einmaliger kleiner Verstoß wird selten genügen. Doch bei mehrfachen oder besonders krassen Verletzungen steigt das Risiko, dass der Vermieter fristlos kündigen kann.
Manche Vermieter versuchen, aus dem persönlichen Ärger heraus, das Mietverhältnis „auf Teufel komm raus“ zu beenden. Dann kommt es vor, dass Vorwürfe erhoben werden, die beim näheren Hinsehen gar nicht belegt werden können. Sie als Mieter sollten sich in solchen Situationen nicht einschüchtern lassen.
Beispielsweise kann es passieren, dass Ihr Vermieter Ihnen rassistische Äußerungen unterstellt, ohne dass es dafür Beweise gibt. Er könnte auch behaupten, Sie hätten regelmäßig gegen die Hausordnung verstoßen oder Nachbarn beleidigt. Wenn Sie der Meinung sind, dass diese Anschuldigungen unberechtigt sind, lohnt sich oft der Gang zum Anwalt. Denn im Ernstfall muss ein Gericht prüfen, ob die Vorwürfe tatsächlich stimmen und ob sie juristisch ausreichen, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Andererseits sollten Sie aber auch nie leichtfertig über Ihren Vermieter herziehen, wenn Sie dafür keinen konkreten Anlass haben. Unwahrheiten oder reine Provokationen können sich durchaus gegen Sie richten. Behaupten Sie etwa öffentlich, Ihr Vermieter sei kriminell oder habe Sie sexuell belästigt, ohne dass Sie das belegen können, könnte dies als üble Nachrede oder Verleumdung ausgelegt werden. Solch ein Verhalten kann durchaus ein Grund sein, Ihnen den Mietvertrag fristlos zu kündigen. Hier ist also Fingerspitzengefühl gefragt.
In der Vergangenheit war eine gewisse Unsicherheit zu spüren, weil es im Gewerbemietrecht Entscheidungen gab, die eine Zerrüttung als Kündigungsgrund anerkannten. Doch der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass dieses Prinzip nicht 1:1 auf das Wohnraummietrecht zu übertragen ist. Wenn Sie als Wohnraummieter also in Streit mit Ihrem Vermieter geraten, kann er sich nicht einfach darauf berufen, dass das Verhältnis grundlegend zerrüttet sei.
Ein weiterer Punkt betrifft die erleichterte Kündigung in Zweifamilienhäusern, in denen der Vermieter selbst wohnt. Manche Juristen vertraten die Auffassung, dieser Gedanke könne auch für Mehrparteienhäuser gelten, doch der BGH hat dem eine klare Absage erteilt. Das bedeutet: Die Regelungen nach § 573a BGB lassen sich nicht ohne Weiteres übertragen, um eine fristlose Kündigung in einem Mehrparteienhaus zu begründen.
Für Sie als Mieter in einem Mehrparteienhaus ist das eine gute Nachricht, weil Sie nicht befürchten müssen, dass die Vermieterrechte hier unnötig ausgeweitet werden.
Für Sie als Mieter ist wichtig zu wissen, dass ein „zerrüttetes Verhältnis“ mit dem Vermieter nicht automatisch bedeutet, dass Ihnen morgen die fristlose Kündigung ins Haus flattert. Solange Ihnen kein gravierender Vertragsverstoß nachgewiesen werden kann, muss der Vermieter regelmäßig die ordentliche Kündigungsfrist einhalten.
Sollte es dennoch zu einer fristlosen Kündigung kommen, ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Sie können prüfen (lassen), ob die Kündigung rechtmäßig ist oder ob nur der allgemein schlechte Umgangston herangezogen wurde. Gerade in Situationen, in denen sich beide Seiten nichts schenken und sich gegenseitig die Schuld an der Konfliktsituation geben, ist die Rechtslage komplex. Als Mieter sollten Sie sich dann möglichst frühzeitig fachkundigen Rat suchen – etwa bei einem Fachanwalt für Mietrecht.