Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, schon ist der Schlüsselbund verschwunden. Für Mieter wird das rasch zum Alptraum, denn an einem einzigen Schlüssel hängt oft die Sicherheit eines ganzen Mehrfamilienhauses. Muss nun nur das eigene Zylinderschloss ersetzt werden oder gleich die komplette Schließanlage? Und vor allem: Wer bezahlt das?
Der heutige Ratgeber erklärt klar verständlich, welche rechtlichen Regeln gelten, welche Urteile wichtig sind und wie Sie sich vor hohen Kosten schützen können.
Lesen Sie in diesem Ratgeber:
Zwei schnelle Entscheidungen helfen Ihnen, den Schaden gering zu halten: Melden Sie den Verlust unverzüglich und unterlassen Sie voreilige Eigenaktionen.
Reagieren Sie sofort. Informieren Sie zuerst die Hausverwaltung oder Ihren Vermieter, dann – falls nötig – die Polizei. Diese Meldung dokumentiert, dass Sie Ihre Obhutspflicht ernst nehmen. Eine schnelle Anzeige kann außerdem helfen, wenn der Schlüssel später gefunden oder gestohlen gemeldet wird. Verzögern Sie die Mitteilung, riskieren Sie, dass Ihnen grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen wird. Dann müssen Sie womöglich sämtliche Folgekosten alleine tragen.
Halten Sie den Schriftverkehr fest: Eine kurze E-Mail mit Datum, Uhrzeit und Beschreibung des Vorfalls genügt. So können Sie später beweisen, dass Sie alles Zumutbare getan haben, um Missbrauch zu verhindern.
Lassen Sie das defekte Schloss nicht im Alleingang austauschen und bestellen Sie keinen Schlüsseldienst auf eigene Faust, solange nicht Gefahr in Verzug ist. Der Vermieter entscheidet, ob ein Ersatzschlüssel reicht oder ob die gesamte Schließanlage gewechselt werden muss. Handeln Sie ohne Rücksprache, können Sie auf den Kosten sitzen bleiben, selbst wenn die Lösung technisch sinnvoll war. Informieren Sie den Vermieter, schildern Sie die Umstände (Verlustort, Diebstahlverdacht, Beschriftung des Schlüssels) und warten Sie seine Weisung ab. In vielen Fällen stellt er einen Fachbetrieb und klärt die Finanzierung später.
Mieter müssen sorgsam mit ausgehändigten Schlüsseln umgehen. Gleichzeitig hat der Vermieter Informations- und Entscheidungspflichten.
Die Obhutspflicht verpflichtet Sie, die überlassenen Schlüssel sicher aufzubewahren. Steckt der Schlüssel offen im Fahrradkorb oder liegt über Nacht im Auto, kann das fahrlässig sein. Geht er dennoch verloren, haften Sie grundsätzlich für den Schaden. Doch nicht jede Fahrlässigkeit führt sofort zum vollen Kostenrisiko. Die Gerichte prüfen, ob eine konkrete Missbrauchsgefahr besteht. Ein in einem abgeschlossenen Spind verschwundener Schlüssel löst weniger Alarm aus als ein Bund mit deutlicher Adressgravur.
Wichtig: Die Pflicht endet erst, wenn alle Schlüssel ordnungsgemäß zurückgegeben wurden.
Der Vermieter darf allein entscheiden, welche Sicherheitsmaßnahme erforderlich ist. Er muss aber verhältnismäßig handeln. Eine komplett neue Schließanlage ist nur dann zulässig, wenn er objektiv begründen kann, dass ein Missbrauch wahrscheinlich ist. Fehlt diese Gefahr, bleibt es beim Austausch einzelner Zylinder.
Außerdem trifft ihn eine Aufklärungspflicht: Baut er eine teure, nicht erweiterbare Zentralschließanlage ein, muss er Sie auf das hohe Kostenrisiko hinweisen und auf eine Schlüsselversicherung aufmerksam machen. Unterlässt er das, muss er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen (LG München, Urteil vom 18. 6. 2020, 31 S 12365/19).
Sie haben als Mieter den Schlüssel verloren? Ob Sie zahlen müssen, hängt stark von den Umständen ab. Die Rechtsprechung setzt klare Leitplanken.
Verliert der Mieter einen Haus- oder Wohnungsschlüssel und besteht eine konkrete Missbrauchsgefahr, kann der Vermieter die Kosten des Austauschs verlangen – aber erst, wenn dieser Austausch wirklich erfolgt ist. Der Bundesgerichtshof stellte klar: Ohne tatsächlichen Austausch kein ersatzfähiger Vermögensschaden (BGH, Urteil vom 5. 3. 2014, VIII ZR 205/13). Der Vermieter darf also nicht vorsorglich die Kaution einbehalten oder einen Kostenvoranschlag abrechnen. Zahlt der Mieter freiwillig einen Vorschuss, sollte er vertraglich festhalten, dass ein Ausgleich nur nach Einbau neuer Zylinder geschieht.
In München verlor ein Mieter vier Schlüssel einer neuen Zentralschließanlage. Der Vermieter tauschte das komplette System und verlangte knapp 2 000 Euro. Das Landgericht sprach ihm nur die anteiligen Kosten für Hauseingang und Wohnungstür zu, weil der Vermieter seine Aufklärungspflicht verletzt hatte (LG München, Urteil vom 18. 6. 2020, 31 S 12365/19).
Das Gericht in Freiburg lehnte eine fiktive Schadensberechnung komplett ab: Solange die Anlage nicht getauscht wurde, besteht kein Anspruch, auch wenn ein Reinigungsdienst – also ein Dritter – den Schlüssel verloren hat (LG Freiburg, Urteil vom 23. 4. 2013, 9 S 154/12).
Neuere Rechtsprechung weitet die Haftung aus: Das OLG Brandenburg entschied 2023, dass ein Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft haftet, wenn sein Mieter fahrlässig einen Kellerschlüssel verliert. Der Eigentümer bleibt Kostenschuldner, kann aber Regress beim Mieter nehmen (OLG Brandenburg, Urteil vom 27. 4. 2023, 10 U 100/22).
Müssen Sie den Schlüsseldienst rufen, weil Sie sich ausgesperrt oder den Schlüssel abgebrochen haben, tragen Sie regelmäßig die Rechnung. Anders sieht es aus, wenn das Schloss schon zuvor klemmte und Sie den Defekt gemeldet hatten. Repariert der Vermieter nicht, haftet er für die entstandenen Aufwendungen. Bewahren Sie deshalb Quittungen und Ihre Mängelanzeige auf.
Tipp: Fragen Sie den Dienstleister vorab nach Fixpreisen und wählen Sie einen lokalen Anbieter, um Nacht- oder Anfahrtszuschläge zu vermeiden. Weist der Vermieter nach, dass der Notdienst unnötig teuer war, kann er die Erstattung kürzen.
Mit einfachen Maßnahmen senken Sie das Risiko und schützen Ihren Geldbeutel.
Eine private Haftpflichtversicherung mit erweiterter Schlüsselklausel übernimmt in der Regel die Kosten für den Austausch fremder Schließanlagen – also auch der des Vermieters. Achten Sie darauf, dass die Deckungssumme mindestens den Wert einer mittleren Zentralschließanlage abdeckt. Je nach Hausgröße können das schnell mehrere Tausend Euro sein.
Wichtig: Die Versicherung leistet nur, wenn Sie nicht grob fahrlässig gehandelt haben. Lassen Sie den Schlüssel sichtbar im Auto liegen und wird er gestohlen, kann der Versicherer die Zahlung kürzen oder verweigern (BGH, Urteil vom 7. 7. 2023, IV ZR 118/22). Melden Sie den Schaden sofort, legen Sie die Polizeianzeige vor und folgen Sie den Weisungen des Versicherers. So vermeiden Sie Streit um die Regulierung.
Tragen Sie Schlüssel niemals mit Namens- oder Adressanhänger. Nutzen Sie stabile Schlüsselringe, damit kein Einzelschlüssel unbemerkt abfällt. Hinterlegen Sie einen Ersatzschlüssel bei einer vertrauten Person – das erspart oft den teuren Schlüsseldienst. Ziehen Sie beim Auszug alle Schlüssel sorgfältig nach und dokumentieren Sie die Rückgabe schriftlich.
Planen Sie einen Umzug, prüfen Sie Ihre Haftpflichtpolice: Manche Tarife decken nur berufliche Schlüssel, andere nur private. Fragen Sie notfalls gezielt nach einer Zusatzklausel. Und schließlich: Haben Sie eine moderne, teure Schließanlage im Haus, bitten Sie den Vermieter um Hinweise zu empfohlenen Versicherungen. So vermeiden Sie, dass ein kurzer Moment der Unachtsamkeit zur finanziellen Großbaustelle wird.