
Wenn Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und später verkauft werden, stellt sich oft die Frage: Ab wann darf der Erwerber wegen Eigenbedarfs kündigen – und wie lange schützt eine Sperrfrist? Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs bringt Klarheit: Der Verkauf an eine GmbH & Co. KG löst die Sperrfrist nach § 577a Abs. 1a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht aus. Für Mieter ist wichtig zu wissen, wann die Frist tatsächlich startet – und wie sie im Konfliktfall richtig reagieren.
In diesem Ratgeber gehen wir näher auf das BGH-Urteil vom 6. August 2025 (Aktenzeichen: VIII ZR 161/24) ein, um Sie umfassend zu informieren.
Lesen Sie in diesem Ratgeber:
Die Sperrfrist des § 577a BGB begrenzt zeitlich, ab wann ein Erwerber eine Eigenbedarfskündigung oder Verwertungskündigung aussprechen darf. Sie soll Mieter nach Umwandlung und Verkauf ihrer Wohnung vor Verdrängung schützen. Der BGH hat diese Schutzmechanik jetzt für Konstellationen mit Personen- und Handelsgesellschaften präzisiert.
Die Mieter wohnten seit 2004 in einem Mehrfamilienhaus in München. Anfang 2012 erwarb eine GmbH & Co. KG das ungeteilte Grundstück. 2012/2013 wurde in Wohnungseigentum umgewandelt. 2016 verkaufte die GmbH & Co. KG die vermietete Eigentumswohnung an private Erwerber; die Eintragung im Grundbuch erfolgte 2017. 2022 kündigten die neuen Eigentümer wegen Eigenbedarfs. Weil in München eine zehnjährige Sperrfrist gilt, kam es zum Streit über den Fristbeginn. Der BGH wies die Revision der Vermieter zurück: Die Kündigung war verfrüht (BGH, Urteil vom 6.8.2025, VIII ZR 161/24).
Zentrale Botschaft: Der Verkauf vermieteter Wohnungen an eine Personenhandelsgesellschaft – konkret eine GmbH & Co. KG – aktiviert die Sperrfrist des § 577a Abs. 1a BGB nicht. „Personengesellschaft“ im Sinne dieser Sonderregel meint nach Sinn und Zweck vor allem die Außen-GbR, nicht aber Personenhandelsgesellschaften wie KG oder OHG.
Konsequenz: Beginnt die Sperrfrist nicht über Abs. 1a, greift die Grundregel des § 577a Abs. 1 BGB – Start erst mit der (erstmaligen) Veräußerung der umgewandelten Eigentumswohnung und Eintragung des Erwerbers im Grundbuch.
Für Sie zählt in der Praxis vor allem: Ab welchem Datum läuft die Uhr? Und welcher Verkauf löst sie aus? Das Urteil liefert klare Anhaltspunkte für beide Fragen – und stärkt die Position von Mietern in Häusern, die zunächst von einer GmbH & Co. KG erworben wurden.
Die Sperrfrist startet mit der erstmaligen Veräußerung der nachträglich in Wohnungseigentum umgewandelten Wohnung – maßgeblich ist die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch. Bundesrechtlich beträgt die Sperrfrist drei Jahre, kann aber per Landesverordnung – in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt – auf bis zu zehn Jahre verlängert werden. Für München hat Bayern die Frist seit 1. Januar 2022 auf zehn Jahre festgesetzt.
Für die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung kommt es deshalb auf das konkrete Datum der Grundbucheintragung des Ersterwerbers der Eigentumswohnung an.
§ 577a Abs. 1a BGB erfasst den Erwerb vermieteten Wohnraums durch eine Personengesellschaft oder mehrere Erwerber. § 577a Abs. 2a BGB ordnet dann an: Beginnt später eine Umwandlung und wird das neue Wohnungseigentum weiterverkauft, läuft die Sperrfrist nicht noch einmal neu an; sie gilt schon ab dem früheren Erwerb durch die Personenmehrheit. Diese Vorverlagerung verhindert Umgehungen und sorgt dafür, dass Mieter bereits ab Eintritt der Personenmehrheit geschützt sind.
Wichtig: Diese Sonderlogik greift nur in den von § 577a Abs. 1a erfassten Fällen.
Der BGH stellt klar: Der Gesetzesbegriff „Personengesellschaft“ in § 577a Abs. 1a BGB meint nicht Personenhandelsgesellschaften wie KG oder GmbH & Co. KG. Diese können – anders als eine Außen-GbR – Eigenbedarf zugunsten eines Gesellschafters nicht geltend machen; genau darauf zielte die Gesetzesänderung ab. Deshalb löst der Erwerb durch eine GmbH & Co. KG die Vorverlagerung des Fristbeginns nicht aus.
Folge: Es bleibt bei der Grundregel – Start der (ggf. zehnjährigen) Sperrfrist erst mit der ersten Veräußerung des Sondereigentums und regelmäßig mit der Grundbucheintragung des Erwerbers.
Erhalten Sie eine Eigenbedarfskündigung nach Umwandlung und Verkauf, prüfen Sie systematisch die Zeitleiste. Halten Sie Daten und Unterlagen bereit – oft entscheidet ein einziges Datum über die Wirksamkeit. Holen Sie frühzeitig Beratung, damit Fristen nicht verstreichen.
Sichten Sie die Kette der Eigentümerwechsel: Wann wurde Ihre Wohnung in Wohnungseigentum umgewandelt (Teilungserklärung/Grundbuchvollzug)? Wann wurde die konkrete Wohnung erstmals verkauft und der Erwerber im Grundbuch eingetragen? Gibt es zuvor einen Erwerb des gesamten Hauses durch eine Personenmehrheit (z. B. GbR)?
Prüfen Sie zudem, ob in Ihrer Stadt eine verlängerte Sperrfrist gilt. Sammeln Sie Kopien aus dem Grundbuch, Kaufverträge (falls bekannt) und die Kündigung. Diese Belege helfen, die Wirksamkeit einer Kündigung belastbar einzuschätzen.
Eine ordentliche Kündigung muss ein berechtigtes Interesse benennen – typischerweise Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) oder wirtschaftliche Verwertung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Prüfen Sie, ob der Vermieter nachvollziehbar darlegt, wer einziehen will und warum die Wohnung benötigt wird. Vergleichen Sie dieses Schreiben mit der laufenden Sperrfrist: Ist die Frist noch nicht abgelaufen, ist die Kündigung in der Regel unwirksam – auch bei grundsätzlich berechtigtem Eigenbedarf. Dokumentieren Sie Zustellungsdatum und Fristen, um rechtzeitig zu reagieren.
Reagieren Sie sachlich und fristgerecht. Erwidern Sie schriftlich, wenn die Sperrfrist nach Ihrer Prüfung noch läuft, und verweisen Sie auf die maßgeblichen Daten. Suchen Sie Unterstützung bei einem Fachanwalt für Mietrecht. In vielen Fällen lassen sich Missverständnisse zum Fristbeginn aufklären, bevor es eskaliert. Bitten Sie bei Bedarf um Akteneinsicht beim Grundbuchamt (über berechtigte Stellen) oder um Auskünfte des Vermieters zu Erwerbsdaten. So schaffen Sie Klarheit und stärken Ihre Verhandlungsposition.
Die folgenden Beispiele zeigen, wie Sie das Urteil auf Ihren Fall anwenden. Prüfen Sie stets die konkreten Daten in Ihren Unterlagen.
Der Erwerb durch die GmbH & Co. KG allein startet die Sperrfrist nach § 577a Abs. 1a BGB nicht. Entscheidend ist die erste Veräußerung der nach Teilung entstandenen Eigentumswohnung und die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch. Ab diesem Zeitpunkt läuft die Sperrfrist – drei Jahre bundesrechtlich, ggf. verlängert. Vor Ablauf dieser Frist ist eine Eigenbedarfskündigung grundsätzlich gesperrt. Das hat der BGH ausdrücklich bestätigt und eine Vorverlagerung des Fristbeginns für GmbH & Co. KG-Konstellationen verneint.
Ja, in Fällen des § 577a Abs. 1a BGB (Erwerb durch eine Personenmehrheit wie eine Außen-GbR) wird der Fristbeginn nach § 577a Abs. 2a BGB zeitlich vorverlegt: Maßgeblich ist dann der frühere Erwerb durch die Personenmehrheit. Wird später Wohnungseigentum gebildet und die konkrete Einheit weiterverkauft, beginnt die Sperrfrist nicht erneut; sie läuft ab dem früheren Datum weiter. So verhindert das Gesetz, dass die Schutzfrist mehrfach „neu gestartet“ wird. Prüfen Sie daher, ob der erste Erwerber eine GbR war – dann könnte die Frist schon mit diesem Erwerb laufen.
Ja. Ursprünglich diente die Sperrfrist vor allem dem Schutz vor Eigenbedarfskündigungen. Der Gesetzgeber hat sie aber auch auf Verwertungskündigungen ausgedehnt, damit der Schutz nicht ins Leere läuft. In der Praxis bedeutet das: Während der Sperrfrist sind sowohl Eigenbedarfs- als auch Verwertungskündigungen des Erwerbers ausgeschlossen. Das bestätigt auch der BGH, der die Schutzrichtung und die gesetzgeberischen Motive erneut dargestellt hat.
Prüfen Sie daher bei jeder Kündigung die Sperrfrist – unabhängig vom genannten Kündigungsgrund.