
Fristlose Kündigungen wirken oft wie ein Schock. Plötzlich liegt der Brief des Vermieters im Briefkasten und die Angst vor dem Wohnungsverlust ist deutlich spürbar. Doch nicht jede außerordentliche Kündigung ist wirksam. In diesem Beitrag lernen Sie, worauf es wirklich ankommt. Wir schauen uns 5 Gerichtsentscheidungen aus der Praxis an, übersetzen die Juristensprache in Klartext und zeigen, wie Sie als Mieter reagieren können. So sind Sie für den Ernstfall vorbereitet – ohne dafür ein Gesetzbuch wälzen zu müssen.
Lesen Sie in diesem Ratgeber:
Eine fristlose oder außerordentliche Kündigung beendet das Mietverhältnis sofort, ohne Einhaltung der üblichen Kündigungsfristen. Grundlage ist § 543 BGB. Der Vermieter braucht dafür einen wichtigen Grund, etwa eine schwere Pflichtverletzung der Mieterin oder des Mieters. Das Gesetz verlangt außerdem, dass der Vermieter die Kündigung schriftlich erklärt und – in vielen Fällen – vorher abmahnt. Ohne Abmahnung darf nur gekündigt werden, wenn eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Das ist eine hohe Hürde.
a) mit mehr als einer Monatsmiete an zwei aufeinanderfolgenden Zahlungsterminen oder
b) Rückstand von mindestens zwei Monatsmieten, der sich über mehr als zwei Zahlungstermine erstreckt.
In der Praxis prüft das Gericht immer zwei Fragen: Liegt der Kündigungsgrund wirklich vor? Und wurde die Abmahnung korrekt erteilt oder ist sie entbehrlich? Erst wenn beides passt, ist die Kündigung wirksam.
Warum landet eine fristlose Kündigung überhaupt vor Gericht? Unsere Beratungspraxis zeigt drei Klassiker:
Jeder Fall ist dennoch einzigartig. Mieter können Rückstände schnell ausgleichen oder Einsicht zeigen, Vermieter können Versäumnisse bei der Abmahnung machen. Deshalb lohnt sich immer ein genauer Blick.
Die folgenden Urteile stammen aus echten Fällen. Sie zeigen, wie unterschiedlich Gerichte urteilen und welche Fehler häufig passieren.
Eine Berliner Mieterin war mit gut einer Monatsmiete im Rückstand, verteilt auf zwei Folgemonate. Der Vermieter kündigte fristlos. Die Mieterin zahlte innerhalb der Schonfrist alles nach und hoffte, die Sache sei erledigt. Der Bundesgerichtshof entschied jedoch, dass die Zahlung zwar die fristlose Kündigung heilt, die hilfsweise ordentliche Kündigung aber bestehen bleibt (BGH, Urteil vom 8.12.2021, VIII ZR 32/20).
Lerneffekt: Zahlen Sie Rückstände sofort, behalten Sie aber die Begleitschreiben genau im Auge. Steht dort zusätzlich eine ordentliche Kündigung, brauchen Sie weitere Schritte – zum Beispiel einen Härteeinwand.
Ein Mieter bedrohte seine Vermieterin im Streit um die Gartennutzung mit den Worten „Ich bring dich um“ und verlangte ein Messer. Das Amtsgericht Hanau hielt eine sofortige Kündigung für gerechtfertigt (AG Hanau, Urteil vom 22.05.2023, 34 C 80/22 (14)).
Lerneffekt: Gewaltandrohungen überschreiten die Grenzen zulässiger Auseinandersetzung. Selbst eine vorherige Abmahnung ist dann entbehrlich. Wer betroffen ist, muss schnell professionellen Rat suchen – denn die Räumungsfrist kann nur noch das Gericht gewähren.
Ein langjähriger Berliner Mieter vermietete ein Zimmer unter, nachdem der Vermieter die Erlaubnis verweigert hatte. Die Eigentümer kündigten fristlos und erhoben Räumungsklage. Das Landgericht Berlin wies die Klage ab: Ohne vorherige Frist zur Beendigung der Untervermietung ist die fristlose Kündigung unwirksam (LG Berlin, Urteil vom 21.04.2023, 63 S 227/22).
Lerneffekt: Selbst ein klarer Vertragsverstoß reicht nicht immer. Prüfen Sie, ob vor der Kündigung eine konkrete Abmahnung zugestellt wurde. Fehlt sie, können Sie gute Karten haben.
Mehrere Beschwerden, Polizeieinsätze und sogar herabgeworfene Möbelstücke: Das Amtsgericht HamburgWandsbek bestätigte die Kündigung eines Partymieters (AG HamburgWandsbek, Urteil vom 14.03.2019, 713 C 270/18).
Lerneffekt: Wiederholte Ruhestörungen gelten als „erhebliche Pflichtverletzung“. Eine einmalige Abmahnung genügt, wenn Sie sich danach nicht ändern. Dokumentieren Nachbarn und Polizei den Lärm, zählt Ihre Gegendarstellung wenig.
In Hanau hielt ein Mieter trotz Verbots einen Hund. Der Vermieter kündigte fristlos. Das Landgericht Hanau befand aber, dass weder Nachbarn noch Vermieter konkret gestört waren. Die Kündigung war nicht gerechtfertigt (LG Hanau, Beschluss vom 28.12.2020, 8 T 29/20).
Lerneffekt: Nicht jeder Verstoß führt automatisch zum Wohnungsverlust. Gerichte verlangen eine Interessenabwägung: Liegt tatsächlich eine unzumutbare Beeinträchtigung vor? Wenn nein, bleibt die Wohnung – und der Hund – meist.
Ein Kündigungsschreiben löst Stress aus. Mit der richtigen Strategie behalten Sie dennoch die Kontrolle.
Lesen Sie das Schreiben gründlich. Achten Sie auf das Datum und den Zugangsnachweis. Prüfen Sie, ob eine Abmahnung beigefügt ist und welche Frist der Vermieter setzt. Notieren Sie alle Termine in Ihrem Kalender. So verhindern Sie, dass Sie wichtige Fristen – etwa für eine Schonfristzahlung – versäumen.
Sammeln Sie Kontoauszüge, ChatVerläufe, Polizeiprotokolle oder Zeugenaussagen, die Ihre Sicht der Dinge stützen. Legen Sie ein digitales KündigungsDossier an. Je früher Sie Unterlagen haben, desto leichter können Sie Ihrem Anwalt oder einer Mieterberatung den Fall schildern.
Wenden Sie sich an einen Fachanwalt für Mietrecht. Eine erste Beratung klärt, ob die Kündigung angreifbar ist und ob eine Räumungsschutzklage Aussicht auf Erfolg hat.
Bleiben Sie sachlich. Antworten Sie in Schriftform, am besten per Einschreiben. Bieten Sie realistische Lösungen an: Sofortzahlung offener Mieten, Unterlassungserklärung bei Ruhestörung oder Rücknahme der Untervermietung. Viele Vermieter akzeptieren eine gütliche Lösung, wenn sie merken, dass Sie kooperieren.
Kommt es zur Klage, prüft das Gericht zuerst die Wirksamkeit der Kündigung und dann die Interessen beider Seiten. Ein Räumungsurteil bedeutet nicht immer sofortigen Auszug: Sie können Räumungsschutz nach § 712 Zivilprozessordnung (ZPO) beantragen und dadurch Zeit gewinnen. Nutzen Sie diese Zeit aktiv, um eine Ersatzwohnung zu finden oder Vergleichsgespräche zu führen.
In unseren FAQs werfen wir einen Blick auf die häufigsten Fragen zum Thema.
Nur bei gravierenden Pflichtverletzungen, etwa zwei volle Monatsmieten Rückstand oder schweren Störungen des Hausfriedens.
Meist ja: Eine schriftliche Abmahnung ist Pflicht, außer wenn Abhilfe offensichtlich aussichtslos ist (z.B. Gewalt gegen Nachbarn).
Bestreiten Sie die Vorwürfe schriftlich und legen Sie Beweise vor. In einem Räumungsprozess muss der Vermieter den Kündigungsgrund vollständig nachweisen. Gelingt ihm das nicht, bleibt Ihr Mietvertrag bestehen.
Er muss „unverzüglich“ handeln – in der Regel binnen zwei bis drei Monaten, nachdem er vom Kündigungsgrund erfahren hat (§ 314 Abs. 3 BGB analog). Wartet er länger, kann die Kündigung unwirksam sein.