Stirbt Ihr bisheriger Vermieter, steht plötzlich eine Erbengemeinschaft vor der Tür. Für Sie als Mieter bedeutet das zunächst Unsicherheit: An wen muss die Miete überwiesen werden? Wer unterschreibt die Nebenkostenabrechnung? Und kann eine aus mehreren Personen bestehende Vermietergruppe überhaupt wirksam kündigen?
Dieser Ratgeber erklärt, wie das Mietverhältnis nach einem Erbfall weiterläuft, welche Rechte und Pflichten Sie haben und welche Fallstricke Sie vermeiden sollten.
Lesen Sie in diesem Ratgeber:
Sobald eine vermietete Wohnung Teil des Nachlasses wird, übernimmt die Erbengemeinschaft automatisch die Rolle des Vermieters. Das geschieht kraft Gesetzes und ohne Eintrag ins Grundbuch.
Mit dem Tod des Vermieters geht dessen gesamtes Vermögen auf die Erben über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Juristen nennen das „Universalsukzession“. Auch der Mietvertrag ist Teil dieses Vermögens. Sie als Mieter müssen daher nichts neu unterschreiben.
Der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ aus § 566 BGB gilt sinngemäß: Der neue Eigentümer, hier die Erbengemeinschaft, muss alle bestehenden Vertragsbedingungen akzeptieren. Die Gemeinschaft bildet eine sogenannte Gesamthand; jedes Mitglied hält das Mietverhältnis nur gemeinsam mit den anderen.
Rechtlich genügt theoretisch schon der Erbfall, um den Vermieterwechsel wirksam werden zu lassen. Praktisch sollten die Erben Ihnen aber zeitnah mitteilen, wer künftig Ansprechpartner ist und wohin Sie die Miete zahlen. Weist sich bisher niemand aus, dürfen Sie zunächst weiterhin auf das bekannte Konto überweisen. Verlangen die Erben eine Änderung, lassen Sie sich Erbschein oder notarielles Testament zeigen. Gibt es noch Unklarheiten über die Erbfolge, können Sie Ihre Miete beim Amtsgericht hinterlegen, bis die Lage geklärt ist.
Kommt es nach einer Kündigung des Vormieters zu einem neuen Mietvertrag, müssen grundsätzlich alle Erben namentlich als Vermieter aufgelistet und alle Unterschriften eingeholt werden. Die bloße Formulierung „Erbengemeinschaft Müller“ reicht nicht aus. Auch spätere Vertragsänderungen sind nur wirksam, wenn alle Miterben oder eine wirksam bevollmächtigte Person zustimmen.
Die Erbengemeinschaft übernimmt sämtliche finanziellen Pflichten des verstorbenen Vermieters. Das betrifft nicht nur die laufende Miete, sondern auch die Verwaltung der Kaution und die Erstellung einer ordnungsgemäßen Nebenkostenabrechnung.
Ihre Zahlungspflicht endet weder durch den Tod des Vermieters noch verschiebt sich die Fälligkeit. Bis Sie eine sichere neue Kontoverbindung haben, überweisen Sie wie gewohnt. Bestehen Zweifel, können Sie schriftlich um Legitimation bitten. Reagiert niemand, bleibt die Hinterlegung beim Amtsgericht die letzte Möglichkeit, um Verzugszinsen zu vermeiden – die Gebühren dafür tragen allerdings Sie.
Erben, die jetzt die Miete kassieren wollen, müssen ihre Berechtigung belegen. Akzeptierte Nachweise sind ein Erbschein oder ein notarielles Testament mit Eröffnungsprotokoll. Ohne diese Dokumente riskieren Sie, zweimal zahlen zu müssen, falls sich später andere Erben melden. Wechselnde Ansprechpartner, widersprüchliche Kontodaten oder unklare Vollmachten sind Warnsignale. Bitten Sie um schriftliche Klarstellung durch alle Beteiligten.
Hinweis: In manchen Fällen wird vom Nachlassgericht ein sogenannter Nachlasspfleger bestellt, zum Beispiel wenn noch nicht alle Erben ermittelt werden konnten. Sodann ist zunächst der Nachlasspfleger Ihr Ansprechpartner mit sämtlichen Vermieterpflichten und -rechten.
Die Kaution gehört zum Nachlass und muss von der Erbengemeinschaft getrennt vom Privatvermögen angelegt bleiben. Zinserträge stehen Ihnen zu. Bei Vertragsende greift dieselbe Prüfpflicht wie zuvor: Die Erben dürfen nur berechtigte Forderungen – etwa offene Nebenkosten oder nachgewiesene Schäden – verrechnen. Verzögert sich die Rückzahlung unangemessen, setzen Sie schriftlich eine Frist von, zum Beispiel, drei Wochen und kündigen Klage an. Alle Miterben haften gesamtschuldnerisch; Sie dürfen sich also an jede Person halten. In solchen Fällen sollte aber idealerweise die Unterstützung von einem Rechtsanwalt für Mietrecht in Anspruch genommen werden.
Eine neue Vermietergruppe weckt oft die Sorge, schneller gekündigt zu werden. Das Gesetz lässt aber nur enge Spielräume. Auch die Erbengemeinschaft muss sich an die üblichen Kündigungsgründe und Fristen halten.
Die häufigste Option ist Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Das bedeutet: Mindestens ein Miterbe oder dessen naher Angehöriger will selbst einziehen. Voraussetzung ist ein Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft. Ein einzelner Erbe darf nicht allein kündigen (BGH, Urteil vom 11.11.2009, XII ZR 210/05). Die Kündigung muss schriftlich erfolgen, den konkreten Bedarf nennen und von allen oder einer bevollmächtigten Person unterschrieben sein.
Erzielt die Immobilie vermietet einen deutlich geringeren Verkaufspreis als freistehend, kann eine sogenannte Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zulässig sein. Die Erbengemeinschaft muss nachweisen, dass ihr durch die Fortsetzung des Mietvertrags erhebliche Nachteile drohen. Gerichte legen diese Hürde hoch an; pauschale Gewinninteressen reichen nicht.
Wichtig: Auch hier gelten die verlängerten Kündigungsfristen von drei, sechs oder neun Monaten je nach Wohndauer.
Bei schweren Vertragsverstößen – etwa wenn Sie mit zwei Monatsmieten oder mehr im Rückstand sind – darf die Erbengemeinschaft fristlos kündigen (§ 543 BGB). Das setzt jedoch eine Abmahnung oder vergebliche Fristsetzung voraus, sofern nicht ausnahmsweise entbehrlich. Die Kündigung muss alle Erben unterschreiben oder eine ordnungsgemäße Vollmacht beifügen.
Der Erbfall allein schafft für Sie kein zusätzliches Kündigungsrecht. Wie bisher können Sie mit Dreimonatsfrist kündigen. Leisten die Erben ihre Vermieterpflichten nicht – etwa unterlassen sie notwendige Reparaturen – können Sie eine fristlose Kündigung prüfen lassen. Dokumentieren Sie Mängel genau und setzen Sie eine angemessene Frist zur Abhilfe. Ziehen Sie erst aus, wenn Sie rechtliche Beratung hatten; sonst riskieren Sie Schadensersatz.
Mehrere Vermieter bedeuten mehr Abstimmungsbedarf. Folgende Hinweise helfen, den Alltag reibungslos zu gestalten.
Bitten Sie die Erbengemeinschaft um Benennung einer Hauptansprechperson inklusive Postadresse und E-Mail. Lassen Sie sich eine schriftliche Vollmacht vorlegen, die alle Miterben unterschrieben haben. Das vereinfacht Reparaturmeldungen, Abrechnungen und andere Formalitäten. Erhalten Sie widersprüchliche Anweisungen, antworten Sie an alle Erben, schildern die Konfliktsituation und halten zunächst den bisherigen Zustand aufrecht.
Auseinandersetzungen entstehen oft bei Modernisierung, Mängelbeseitigung oder Nebenkosten. Suchen Sie früh das Gespräch, halten Sie Absprachen schriftlich fest und setzen Sie klare Fristen. Scheitert eine gütliche Einigung, helfen Mediationsstellen oder ein Fachanwalt für Mietrecht. Erst wenn auch das nicht fruchtet, gehen Sie vor Gericht – dabei müssen alle Miterben als Beklagte benannt werden. Bewahren Sie jede E-Mail, jedes Schreiben und Fotos von Mängeln sorgfältig auf.
Will die Erbengemeinschaft verkaufen, braucht sie meist Einstimmigkeit. Findet sie einen Käufer, tritt dieser nach § 566 BGB in den Mietvertrag ein. Für Sie ändert sich dadurch grundsätzlich nichts: keine neuen Kündigungsfristen, keine automatische Mieterhöhung. Wird die Wohnung in Eigentum umgewandelt, gilt zusätzlich eine Kündigungssperrfrist von mindestens drei Jahren (§ 577a BGB) – in vielen Städten mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ sogar bis zu zehn Jahre.
Kommt unter den Erben gar keine Einigung zustande, kann jeder Miterbe die Teilungsversteigerung beantragen. Die Wohnung wird versteigert und meist zum Marktpreis verkauft. Auch hier bleibt Ihr Mietvertrag bestehen; nur der Eigentümer wechselt. Erhalten Sie eine Mitteilung des Gerichts über das Verfahren, informieren Sie sich früh über Ihre Rechte und Pflichten, um Überraschungen zu vermeiden.