Mietrecht – was das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz ändert
In diesem Ratgeber:
- Widerspruch gegen die Kündigung – bald ohne Unterschrift zulässig
- Gewerbliche Mietverträge – Textform statt Schriftform
- Betriebskostenabrechnung – digitale Belegeinsicht künftig ausreichend
- Belegeinsicht – ein grundsätzlicher Anspruch von Mietern
- Wann liegt eine Verweigerung der Belegeinsicht vor?
- Vermieter verweigert Belegeinsicht – das sind Ihre Optionen
Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) zielt darauf ab, den bürokratischen Aufwand zu reduzieren und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Es tritt am 1. Januar 2025 in Kraft. Der Bundestag verabschiedete das Gesetz am 26. September 2024. Am 18. Oktober 2024 erfolgte die Zustimmung durch den Bundesrat. Zusätzlich zum Abbau von Bürokratie umfasst das Gesetz auch Anpassungen im Mietrecht, die sowohl Mieter als auch Vermieter betreffen. In diesem Ratgeber fassen wir die wichtigsten Informationen zu den Auswirkungen des BEG IV auf das Mietrecht zusammen.
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Widerspruch gegen die Kündigung – bald ohne Unterschrift zulässig
Ein Mieter kann gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der ordentlichen Kündigung durch den Vermieter widersprechen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder andere Haushaltsangehörige eine unzumutbare Härte darstellen würde. Zu den individuellen Härtegründen eines Mieters zählen unter anderem Schwangerschaft, hohes Alter, fehlender Ersatzwohnraum oder Krankheit. Die Rechtmäßigkeit eines Widerspruchs hängt nicht allein davon ab, ob die Kündigung für den Mieter eine besondere Härte bedeutet. Es sind auch die berechtigten Interessen des Vermieters zu berücksichtigen und mit den Widerspruchsgründen des Mieters abzuwägen.
Der Mieter muss seinen Widerspruch gegen die Kündigung spätestens zwei Monate vor dem Ende des Mietverhältnisses schriftlich einreichen. Hat der Widerspruch Erfolg, wird das Mietverhältnis so lange fortgesetzt, wie es unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist. In diesem Fall wird das Mietverhältnis für eine bestimmte Zeit verlängert. Ob ein Widerspruch gegen eine ordentliche Kündigung möglich und erfolgreich ist, hängt immer vom Einzelfall ab.
Mieter haben künftig das Recht, einer Kündigung unter Berufung auf einen Härtefall gemäß § 574b Abs. 1 BGB in Textform zu widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen. Bislang war dafür eine handschriftliche Unterschrift erforderlich. Dank des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes können Mieter den Härtefallwiderspruch somit in Zukunft auch per E-Mail oder Telefax einreichen.
Gewerbliche Mietverträge – Textform statt Schriftform
Für gewerbliche Mietverträge, die eine Laufzeit von mehr als einem Jahr haben, war bisher gemäß §§ 578, 550 BGB die Schriftform zwingend vorgeschrieben. Wurde die Schriftform nicht eingehalten, galt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen und konnte unter Einhaltung der Kündigungsfrist beendet werden. Ein Verweis auf einen Schriftformmangel diente häufig als Mittel, um sich von langfristigen Gewerbemietverträgen zu lösen.
Nach Inkrafttreten des BEG IV reicht für Gewerbemietverhältnisse mit einer Laufzeit von über einem Jahr die Textform aus. Für bestehende Mietverhältnisse gilt eine einjährige Übergangsfrist. Das bedeutet, dass sie noch ein Jahr lang nach den bisherigen Regelungen behandelt werden. Erfolgt jedoch eine Änderung des Mietvertrags vor Ablauf der Frist, gelten die neuen Vorschriften ab dem Zeitpunkt der Änderung.
Betriebskostenabrechnung – digitale Belegeinsicht künftig ausreichend
Vermieter dürfen künftig die Belege zur Betriebskostenabrechnung ausschließlich elektronisch zur Verfügung stellen oder per E-Mail versenden. Sie haben die Wahl, ob sie den Mietern Originalbelege in Papierform oder elektronische Kopien, wie beispielsweise eingescannte Dokumente, bereitstellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Vermieter ein papierloses Büro führt oder weiterhin Originale aufbewahrt. Selbst wenn noch Originalbelege existieren, können Vermieter die Mieter auf die elektronischen Belege verweisen.
Stellen Vermieter alle Belege zur Abrechnung elektronisch bereit, gilt das Einsichtsrecht der Mieter als erfüllt. In diesem Fall haben die Mieter kein Zurückbehaltungsrecht mehr.
Darüber hinaus wird das Einsichtsrecht des Mieters in die Abrechnungsbelege künftig ausdrücklich im neuen § 556 Abs. 4 BGB festgehalten. Bislang leitet die Rechtsprechung dieses Recht aus der allgemeinen Regelung des § 259 Abs. 1, zweiter Halbsatz BGB ab.
Belegeinsicht – ein grundsätzlicher Anspruch von Mietern
Um die Belege einsehen zu dürfen, muss der Mieter keinen Verdacht oder besonderes Interesse gegenüber dem Vermieter nachweisen (BGH, Urteil v. 07.02.2018, Az.: VIII ZR 189/17). Er hat den jederzeitigen Anspruch, die Grundlagen für die Nebenkostenabrechnung zu überprüfen. Die Einsicht in die Belege erfolgt jedoch nicht automatisch. Vielmehr muss der Mieter den Vermieter aktiv um Zugang zu den Belegen bitten. Eine Verpflichtung des Vermieters, den Mieter von sich aus auf dieses Recht hinzuweisen, besteht dabei nicht.
Der Vermieter oder Hausverwalter muss dem Mieter sämtliche Unterlagen zur Verfügung stellen, die die Nebenkostenabrechnung für den jeweiligen Zeitraum nachvollziehbar machen. Dazu zählen Kontoauszüge, Buchungsbelege, Verträge, Rechnungen und Lieferscheine. Auch relevante Daten anderer Mieter, wie Heiz- und Wasserkosten, müssen zugänglich sein (BGH, Urteil v. 07.02.2018, Az.: VIII ZR 189/17).
Eine Verweigerung der Einsichtnahme in diese Unterlagen durch den Vermieter gegenüber dem Mieter aus Gründen des Datenschutzes ist unzulässig. Wenn bei der Einsichtnahme bestimmte Belege fehlen, wirkt sich dies nachteilig für den Vermieter aus.
Wann liegt eine Verweigerung der Belegeinsicht vor?
Eine Verweigerung der Belegeinsicht durch den Vermieter liegt insbesondere dann vor, wenn:
– der Vermieter das Ersuchen des Mieters zur Einsichtnahme schriftlich ablehnt,
– der Vermieter innerhalb eines angemessenen Zeitraums (zwei Wochen) nicht auf die schriftliche Aufforderung des Mieters reagiert,
– der Vermieter dem Mieter bestimmte Belege vorenthält,
– der Vermieter die Einsichtnahme auf andere Weise verhindert.
Vermieter verweigert Belegeinsicht – das sind Ihre Optionen
Wird dem Mieter das Einsichtsrecht in die Belege vom Vermieter ganz oder teilweise verweigert, steht dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht an sämtlichen Nachzahlungen zu (§ 273 BGB; BGH, Beschluss v. 10.04.2019, Az.: VIII ZR 250/17 GE 2019, 727). Dieses Zurückbehaltungsrecht kann sich sogar auf die laufenden Nebenkostenvorauszahlungen erstrecken (BGH, Beschluss v. 22.11.2011, Az.: VIII ZR 38/11 GE 2012, 825).
Vor dem Ergreifen eigener Maßnahmen sollte unbedingt eine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden. Ein Rechtsanwalt kann Ihre individuelle Situation genau analysieren und Sie über die rechtlichen Schritte aufklären, die in Ihrem Fall sinnvoll sind. Die rechtliche Materie rund um das Zurückbehaltungsrecht und die Durchsetzung von Belegeinsichtsrechten ist komplex und kann bei unsachgemäßer Handhabung zu unerwünschten Konsequenzen führen.
MieterEngel – Ihr Schlüssel zu professioneller Rechtsberatung
Das Mietrecht ist ein Rechtsgebiet, das sich kontinuierlich weiterentwickelt und an die sich verändernden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst wird. Aktuelle Gesetzesänderungen, wie das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV), verdeutlichen diesen stetigen Wandel. Neben der Gesetzgebung trägt auch die Rechtsprechung maßgeblich zur Weiterentwicklung des Mietrechts bei. Gerichte interpretieren bestehende Gesetze im Lichte aktueller Entwicklungen neu und setzen dadurch neue Maßstäbe für die Anwendung des Mietrechts.
Angesichts dieser Komplexität ist es für Mieter bei Problemen mit dem Vermieter unerlässlich, professionelle rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ohne fachkundige Beratung kann es schwierig sein, die eigenen Rechte korrekt einzuschätzen und angemessen zu reagieren. Dies gilt insbesondere bei speziellen Fragen zu unwirksamen Klauseln im Mietvertrag, Unstimmigkeiten in der Nebenkostenabrechnung oder anderen mietrechtlichen Herausforderungen.
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