Interview mit MieterEngel Partneranwalt Steffan Schwerin

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Steffan Schwerin ist seit 2008 zugelassener Rechtsanwalt und im Schwerpunkt im Familienrecht, Reiserecht und Mietrecht tätig. Bei MieterEngel berät er Mitglieder seit 2018. Im Interview sprachen wir über mieterfreundliches Mietrecht, langsame Digitalisierung der Gerichte und Internet als Fluch und Segen. 

Welche Rechte und Pflichten man wirklich hat, lässt sich nicht immer daraus erkennen, was im Mietvertrag geregelt ist. Denn hier kann es natürlich auch einfach falsch geregelt sein.“

Wie kamen Sie zum Mietrecht?

Für mich hat sich der Schwerpunkt Mietrecht tatsächlich auch erst durch die Arbeit mit MieterEngel ergeben. Zuvor war ich im Familienrecht tätig, aber da das Arbeiten über MieterEngel ein sehr angenehmes ist, bin ich hier mehr reingerutscht. Man kann Unterlagen ganz einfach über die Plattform austauschen. MieterEngel Mitarbeitende bereiten die Termine mit vor, sodass man sich ganz auf die Beratung Online und die Telefontermine konzentrieren und Mitgliedern optimal helfen kann. So hat es sich für mich so verschoben, dass ich nun überwiegend Mietrecht mache.

Was schätzen Sie am Modell MieterEngel besonders?

Bei MieterEngel habe ich die Mandanten ganz einfach hinterlegt. Ich kann für meine Mitglieder jederzeit auf die Unterlagen zugreifen, den Chat und Kommunikationsverlauf einsehen, Prüfberichte, die ganzen Notizen und die Vorgeschichte. Ich habe hier wirklich gewissermaßen die digitale Kanzlei, die Mitglieder und Anwälte perfekt nutzen können – ohne, dass wir uns in einem Büro treffen müssen.

Braucht man wirklich Rechtsberatung? Kann man nicht einfach googeln?

Für Wohnraummietrecht gibt es schon sehr viele Gesetze und gerichtliche Ausgestaltung. Aber man kann nicht erwarten, dass der normale Mensch hier die Details kennt. Welche Rechten und Pflichten man wirklich hat, lässt sich nicht immer daraus erkennen, was im Mietvertrag geregelt ist. Denn hier kann es natürlich auch einfach falsch geregelt sein. 

Deshalb gibt es hier zentrale Anlaufstellen. Vor Ort nach wie vor die Arbeit der Mietervereine, aber das deutschlandweit und digital anzubieten ergibt natürlich Sinn. Hier hat MieterEngel die Lücke geschlossen und bietet deutschlandweiten Mieterschutz.

Was sind Irrglauben im Mietrecht?

Im Internet weitverbreitet zu sein scheint die Idee, dass man, sobald man drei Nachmieter vorschlägt, ein Recht hat, früher aus dem Mietvertrag entlassen zu werden. Dem ist leider nicht so. Natürlich kann der Vermieter einen Aufhebungsvertrag vereinbaren. Er ist jedoch keineswegs verpflichtet, dies zu tun. Auch einen vorgeschlagenen Nachmieter muss er in keinen Fall akzeptieren. 

Kein Irrglaube als solcher, aber oft verwirren, sind außerdem Kündigungsfristen. Die sind manchmal auch falsch im Mietvertrag formuliert. Außerdem für viele Mietende undurchsichtig sind die Nebenkostenabrechnungen oder die Frage, welche Renovierungsklausel bei Auszug wirklich gilt. 

Kommen denn ungültige Renovierungsklauseln häufig vor?

Gerade bei älteren Mietverträgen findet man auch oft eine Renovierungsklausel, die mittlerweile ungültig ist. Leider wissen das viele Mietende nicht. Hier liest man dann verschiedenes und ist verwirrt, was denn zu tun ist.

Ist das Mietrecht unübersichtlich?

Die rechtlichen Regelungen für das Mietrecht selbst sind nicht viele. Allerdings sind mehrere Paragrafen relevant. Je nachdem ob Gewerbe oder Privatnutzung beispielsweise. Hier muss man sich erst mal zurechtfinden. 

Entscheiden ist im Mietrecht aber, dass der Gesetzestext abstrakt und allgemein formuliert ist und es vor allem auf die gerichtlichen Entscheidungen ankommt, die hier maßgeblich sind. Natürlich kann ich hier erst mal stumpf googeln, und finde dann auch einige Mietminderungstabellen. Aber das richtig einzuordnen für meinen Fall, darauf kommt es an. Auch werden einige Entscheidungen ja auch hin und wieder gekippt, für den Laien ist es schwer zu sagen, habe ich alle Informationen? 

Oft höre ich von Mietenden „Aber dazu muss doch einen Paragrafen geben.“ Jein. Die Paragrafen im Text sind sehr allgemein. Aber dazu gibt es dann auch noch 100 Urteile, wovon die Hälfte es so, und die andere so sieht. 

Internet ist Fluch und Segen. Natürlich kann ich nun mit Mietern und Mandanten viel schneller auch über das Internet kommunizieren. Aber oft googeln Leute auf die Schnelle und vertrauen windigen Quellen aus einer Diskussion in Laienforen. Sie glauben dann, Ihre Rechte zu kennen, aber eben leider die falschen, die auf ihren Fall nicht anwendbar sind.  

Also lieber gleich zum Anwalt oder zur Anwältin?

Ich denke, es ist unrealistisch, dass jeder seinen Mietvertrag wirklich gelesen und alle Paragrafen verstanden hat. Meist schaut man nach den wichtigen Daten und Zahlen und unterschreibt erst mal. Das kann man auch gar nicht erwarten in der Realität. Probleme und Fragen kommen danach. Aber dafür gibt es ja uns, die Fachleute. 

Was überzeugt Sie vom Modell MieterEngel?

Die Zeit bringt es einfach mit sich, dass auch ein solches Angebot, eine Rechtsberatung, wie sie bei einem lokalen Mieterverein im Büro erhältlich ist, auch online angeboten wird. Hier hat MieterEngel eine Lücke geschlossen. 

Ein weiterer Vorteil ist auch, dass man bei MieterEngel nicht jeden Fall einzeln behandelt, sondern ich kann über die Plattform immer nachvollziehen, mit wem habe ich es gerade zu tun, was wurde bereits besprochen. Eine Beratung ist somit nicht nur streng auf das Rechtliche begrenzt, sondern vergisst auch das Menschliche daran nicht.

Welche Neuerungen im Mietrecht gibt es. 

Schönheitsreparaturen waren zunächst sehr mieterfreundlich. Sind nun leider wieder etwas gekippt. Hier war zuletzt am meisten Bewegung drin. 

Genauso für einige Zeit die Hoffnung, dass die Mietpreisbremse in Berlin bestehen bleibt. Bis das Bundesverfassungsgericht es schließlich gekippt hat.

Neben den fachlichen Kenntnissen, was macht einen guten Anwalt oder eine gute Anwältin für Mietrecht aus?

Ich selbst habe als Mieter über Jahre ganz praktische Erfahrungen gesammelt. Ich denke, es hilft, sich hier auch einfach in die Situation reinzudenken. Mit manchen Stammkunden redet mal dann auch schon mal 20 Minuten über die Situation und das Vorgehen, auch wenn sich die Rechtslage seit Jahren nicht geändert hat. Es ist einfach schön, einen Ansprechpartner zu haben, der auch verständnisvoll ist gegenüber den Problemen wie beispielsweise lärmende Nachbarn.

Wichtig ist darüber hinaus eine Weiterbildung und ein gutes Netzwerk. Über MieterEngel hat man die Möglichkeit, sich auch von Anwaltskolleginnen oder -Kollegen eine Einschätzung für einen seltenen Fall einzuholen. 

Hatten Sie schon einmal selbst Mietprobleme?

Beim Auszug aus meiner ersten Wohnung gab es tatsächlich Korrekturen bei der Nebenkostenabrechnung. Hier war das Verhältnis aber ein gutes. Und wir haben es einfach ganz normal gesprochen. Dass ich bereits Jura studierte, wusste mein Vermieter allerdings. Vielleicht hat das auch geholfen. Auch sonst hatte ich bisher, auch bei den Vermietern bei meinen Kanzleiräumen immer Glück.

Wie entsteht am häufigsten Streit zwischen Mieter und Vermieter?

Wenn Mängel gemeldet werden. Klassisch ist hier vor allem der Schimmel. Eigentlich gibt es hier fast immer Streit darüber, wo der Schimmel herkommt. Vermieter sind schnell dabei zu sagen, der Mieter lüftet falsch und heizt falsch. Der Mieter ist schnell dabei zu sagen, Heizung ist an, Fenster ist auf, das muss baulich sein. Außerdem haben es die Nachbarn auch.

Damit sind die Fronten dann bereits verhärtet. Vielleicht war man davor bereits per Du, aber dann werden Forderungen gestellt, und dann wird das Du ganz schnell wieder in ein Sie umgewandelt und ab da ist der Konflikt da. Außerdem gibt es Nebenkosten, Schönheitsreparaturen oder die Kaution, wo es auseinanderbricht, weil jeder eine andere Sichtweise hat.

Bei Vermietern, also eher bei jenen mit nur einer einzigen Immobilie, herrscht der Glaube, dass man von Mietenden Schönheitsreparaturen einfordern kann. Sie berufen sich dann auf Abschnitte im Mietvertrag, nach denen alle 5 Jahre beispielsweise renoviert werden muss. Hier aber gilt auch der Einzelfall. Ist die Wohnung nicht abgewohnt, muss es vielleicht nicht sein. Solche Sturrheiten auf Vermieterseite kommen aber vor.

Streit gibt es auch um das schöne Wörtchen „besenrein.“ Die eine Seite versteht es wörtlich und fegt nur durch, der Vermieter erwarte sich aber, dass die Fenster geputzt werden und an allen Ecken noch geschrubbt und geputzt wird. Hier streitet man über Kalkrückstände beispielsweise.

Sind Mietrechte in Deutschland ausreichend?

Das Gesetz an sich ist schon recht mieterfreundlich. Die obere Rechtsprechung vonseiten des Bundesgerichtshofs auch. Mit vielleicht Ausnahmen der Rückschritte bei den Schönheitsreparaturen. Beim Amtsgericht kommt es allerdings darauf an, an welchen Richter man kommt. Hier sieht es eher durchwachsen aus. Aber wenn mir eine Entscheidung nicht passt, gibt es zum Glück ja die Berufung und nächste Instanz. Insgesamt haben wir aber eine mieterfreundliche Situation. Man ist der Willkür der Vermieter nicht ausgesetzt.

Eine Diskrepanz entsteht dadurch, dass Vermieter manchmal am längeren Hebel sitzen. Es gibt anders als beim Arbeitsrecht keine Sozialauswahl für Kündigung. Auch wenn es die Möglichkeit gibt gegen eine Kündigung oder bei einer nicht ausgezahlte Kaution auch zu klagen, hat jemand ohne Rechtsschutzversicherung nicht immer den finanziellen Rückhalt diesen Schritt auch zu wagen.

MieterEngel biete Beratung komplett online an, besteht eine Chance, dass dies auch für Gerichtstermine kommt? 

Es gibt tatsächlich im Prozessrecht eine Vorschrift zur Gerichtsverhandlung per Videoschalte. Die hat allerdings erst durch die Pandemie flächendeckende Bekanntheit erfahren. Dies muss man offiziell beantragen, neben Corona kann hier auch die Distanz als ein Grund angeführt werden. Hier habe ich allerdings auch oft erlebt, dass das technische Set-up vor Ort und auch die Bereitschaft der Richter fehlte. Was natürlich sehr schade ist.

Was fehlt, Know-how oder Technik?

Beides. Wobei ein Richter schrieb mir sehr freundlich zurück, ich würde gerne, aber beschweren Sie sich nicht bei mir, sondern beim Ministerium. 

Der Schriftverkehr läuft immerhin mit Gerichten und Anwälten weitestgehend elektronisch. Nicht zuletzt auch ein kleiner Beitrag für die Umwelt, dass nicht mehr alles dreifach ausgedruckt werden muss. Wenn man dann auch noch die Autofahrt sparen könnte, wäre es umso besser. Auf standardmäßige digitale Videoverhandlungen warten wir leider noch. 

Was motiviert Sie besonders in Ihrem Job? 

Wofür ich dankbar bin, ist mittlerweile die Flexibilität, die mir dieser Job, obwohl sehr anspruchsvoll, mittlerweile ermöglicht. Wenn ich den Laptop zuklappe, ist mein Schreibtisch leer, es gibt eigentlich gar keine Papierakten mehr. Die digitalen und telefonischen Termin mit mieterengel erlauben eine flexible Planung des Alltags. Was nicht nur während der Pandemie viel Freiheit ermöglicht. Neben freier Zeiteinteilung und der Möglichkeit an verschiedenen Orten zu arbeiten, ist es vorrangig der tägliche Kontakt in den vielen Beratungsgesprächen, der mich motiviert. Hier bekommt man auch oft schon direkt positives Feedback. Gerade bei dieser Art der Beratung, zu konkreten Fragen, erreicht man auch relativ schnell für die Mitglieder eine zufriedenstellende Antwort. Anders als bei einem Mandat, das man über Monate hinweg bearbeiten muss und vielleicht vor Gericht zieht. Hier ist dem- oder derjenigen am anderen Ende der Leitung sofort mit einer Information erstmal weitergeholfen.

 

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